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"The net is not the territory" (Luther Blissett)
 

1. Online-Mensch, was nun?
2. Aufstieg und Fall der Stadtmetapher
3. Zur Massenpsychologie der E-kultur
4. Unternehmen Zukunft
5. Cyberspace und Schizophrenie, der Anti-Barlow
6. Slogans zur kommerziellen Verwertung
7. Kritik der reinen Virtualitaet
Geert Lovink u. Pit Schultz:

Anmerkungen zur Netzkritik

 

1. Online-Mensch, was nun?

Fuer eine jetzige und kommende Kritik der Netze gibt es eine Vielfalt von Aufgaben und Abbruchbedingungen. Es geht um das Untersuchen des politischem Alltags und der pragmatischen Aesthetik von Netzpraktiken und Netzgeheimnissen, es geht um den Aufbau einer netzkritischen Praxis, die sich der Mittel der Netztechnologien bedient und nicht ausserhalb dieser ansiedelt, es geht um eine Analyse der klassischen Aussagefunktionen, die sich im 'Internethype' verbergen und uns zu einer Massenpsychologie der Netze leiten, es geht um eine Synthese 'europaeischer' wie 'kalifornischer' Interpretationsweisen von Netzkultur, es geht um einen 'unkrautartigen' Text, der die Anforderungen des Multimediazeitalters uebersteht, es geht um die Bereitstellung von ideologischen Fruehwarnsystemen unter Vermeidung beckmesserischer Besserwisserei und schliesslich um Uebersetzungen aller Art, die Anschluesse herstellen zu einer Vielzahl verschiedener (sozialer, ethnischer, abstrakter, physiologischer) Netze, die sich nicht unter den Protokollen des Internets beschreiben lassen. Und gewiss geht es um die Aufloesung der Allgegenwart des Begriffes 'Netz' in einem Prozess der Vernetzung mit den Methoden der Verneinung dieser Vorherrschaft.

Netzkritik knuepft in logischer Fortfuehrung an herkoemmliche Buch-, Platten-, Film-, CD-ROM-, Fernseh- und Theaterkritik an. Die Einbettung in den Bereich der kulturellen Produktion kann jedoch nicht darueber hinwegtaeuschen, dass die Referenzpunkte erst gefunden werden muessen, die eine 'Netzkultur' hervorbringen. So wie das Fuilleton gepraegt ist von den Regeln der Zeitung, geht es zuerst um die Ausbildung eigener Medienregeln und Kommunikationsweisen, die der Netztechnologie nicht mit metaphorischen Uebertragungen begegnen sondern die Herausforderung zum Experimentieren weitertragen. Die Negation bestehender Netzmythen als einen positiven Prozess verstehen, der die Bildung anderer reicherer Erzaehlungen wahrscheinlicher macht, heisst ein Moment des Neuen anzunehmen, welches Tim Druckrey 'Netzmoderne' nennt. Es sind ganz lokale Utopien, die sich um die Imagination der Netzfreiheiten herum bilden, und um die lokale Kaempfe stattfinden, welche die Netzkritik versucht, transparenter zu machen. Es geht um virtuelle Territorien, Moeglichkeitsraeume, virale Ideologeme und vage Ideen, welche im Netz einen kommunikativen Naehrboden finden, aus dem ueber Nacht aus einer privaten Mail ein globales Technomanifest werden kann. Die massenpsychologischen Verstaerkungseffekte haben sich bisher als durchaus stabil erwiesen fuer Gefaehrdungen der Gleichrichtung und Buendelung.

In besonderem Sinne notwendig ist dabei die Untersuchung der (geo)politischen Oekomomie der Netze auf 'Kabelebene'. Die Problematisierung transnationaler Joint Ventures und Standardisierungsprozesse in ihren Auswirkungen auf die 'conditio posthumana' beginnt auf territorialer und materieller Anwendungsebene der Datennetze in der Geschichte vorangegangener Grosstechniken, wie Strassenbau oder Elektrizifizierung, und nicht bei der Suche nach einem vermeintlich verlorengegangenen Koerper. Im Rueckblick z.B. auf Energiekonzerne aber auch auf die Macht-Monopole im Medienbereich kann die stuermische Entwicklung der 'new networks of power' und ihrer Herrschaftsrhetoriken nicht kritisch genug betrachtet werden, d.h. als ein Moment der Entscheidung in einem Zustand der Krise mit ebenso realen wie indirekten Auswirkungen auf den eigenen Koerper.

Immer geht es dabei darum, jenen kleinen 'intensiven' Handlungsspielraum auszudehnen, die Utopie einer 'komplett anderen Netzwerkordnung' zumindest in Teilen zu erproben und durchzusetzen, und an der Macht der Medien nicht oehnmaechtig teilzunehmen. Entgegen der scheinbar von digitalen Medien ausgeloesten Unuebersichtlichkeit ist es nicht das Ziel, ein Gebaeude Allgemeiner Netztheorie zu errichten, in dem sich Generationen zukuenftiger Exegeten abarbeiten und verlaufen koennen, sondern wesentlich attraktiver, inklusiv zu denken und immanent vorzugehen, also eher vielfaeltige Anschlussmoeglichkeiten mitzudenken und nicht mit Ausgrenzungsverfahren zu beginnen. Vieles muss unklar bleiben um weiterhin wirksam zu sein, vielleicht verbindet man sich mit den Maschinenewuenschen, um zeitweise mutieren zu koennen, mitsamt dem Theoriegepaeck und anderen Lasten, um in den Momenten digitaler Erleichterung Auschau fuer ein erneutes Niederlassen zu finden; und dies geschieht selten allein, sondern immer im Blick auf eine Gruppe, eine Bewegung von Mannigfaltigkeiten, und bleibt so gebunden an kollektive Wuensche.

Es erscheint ueberaus wahrscheinlich, dass die Moeglichkeiten Entscheidungsprozesse aktiv oder direkt zu beeinflussen zuallererst die Bildung von Faehigkeiten hierzu noetig macht. So zeigt sich im Vergleich zu cyberdelischer Euphorie unter allen positiven Utopien die Variante der globalen Bildungsanstalt fuer bereits Gebildete als durchaus realistisch. Bei allem Streit um Zensur und Freie Rede wird vergessen, dass das meiste Wissen dieser Welt nicht ueber das Internet verfuegbar ist. Der Anschluss der grossen Bibliotheken scheint eine der verheerensten falschen Versprechungen zu werden.

Waehrend sich die Netzwissenschaften dumm und daemlich klicken und auf alle erdenklichen Weisen dem wahren Wesen des individuellen Online-Seins auf die Spur zu kommen suchen, waehlt die sog. Netzkritik von Beginn an den Weg des gemeinsamen Widerspruchs, hervorgehend aus einer produktiven 'Negativitaet' des Begehrens, sich nicht dermassen vernetzen zu lassen, und der Sicherheit, dass man mit diesem Unbehagen nicht alleine ist.

Neben der Gruendung eines neuen Genres kann man nun versuchen, die Ansprueche an die Netzkritik moeglichst breit anzusetzen, wobei es zwecklos ist, ihr ein Zentrum oder eine von zwei Richtungen zu geben, um kurze Zeit spaeter auf ihren Grundrissen eine Erziehungsanstalt oder ein Trendbuero zu errichten. Es geht viel eher um die viralen Taktiken der Kollektivierung und Multiplitzierung einer 'netzkritischen' Perspektive - keine Anleitungen zum richtigen Denken, kein 'arbiter elegantus', sondern eine parasitaere Kopplungen an einen Macht-Diskurs, der sich laengst weniger im Text als in anderen Techniken niederschlaegt. Das Netz als Objekt des Begehrens entpuppt sich als ein Katalysator von Subjektivitaet, als ein taktisches Terrain, in dem sich der Text der Handlung naehert, theoretisch wie praktisch, und mittels Software, Publishingstrategien oder Zusammenschluessen in unabhaengigen Medienverbuenden (xs4all, dds, desk, Internationale Stadt, nettime...) vielfaeltige Wirkungspotentiale imaginiert und versucht, wirklich zu machen.

Netzkritik verweigert die Lieferung weitreichender Marktprognosen, entschieden lehnt sie es ab, Schadenfreude an den inhaerenten apokalyptischen Tendenzen zu pflegen, schlaue Tips fuer Jungunternehmer und Lebenshilfe fuer die gehaessigen Zurueckgebliebenen zu liefern. Das zentrale Moment bleibt eine taktische Ambivalenz von Affirmation und Negation, von Faszination und Widerwillen, von Beschleunigung und Verlangsamung, als ein Prozess freudiger Bastardisierung von Gutenberg und Touringgalaxis. Es ist nicht so sehr die Aufgabe, eine Geschichte neu zu schreiben, sondern 'cultural pattern recognition' so aufeinanderzuschichten, dass genug fuer alle TeilnehmerInnen der Netzkritik uebrig bleibt, wie z.B. 'the desire to be wired', Metaphernpolitik, 'mapping the power', Ost-West-Nord-Sued-Dialog, Kritik am Hippy-Kapitalismus, Bashing von selbsternannten Netz-priestern, Verwaltung europaeischer Daten-Altlasten, vernichtende Website-Reviews, ueberquellende Textsammlungen.

Es gibt neben den imaginaeren und fiktiven Anteilen eine angewandte Theorie der Netze, die immer 'besides the point' liegt; sie spekuliert mit den unvorhergesehenen Effekten und Fehleinschaetzungen, den unbesehenen Uebertreibungen, den Kurzschluessen zwischen dem Internet als universelle Projektionsflaeche, als gigantische Wunschmaschine, als perfider Subjektivierungsapperat und versucht diese und andere Perspektiven in einen loechrigen Teppich eines artistischen Jargons zu wickeln. Die Provokation von Gedanken (thought provoking) wird dem Entwurf vom Grossen Bild (big picture) vorgezogen, wobei staendig an der 'Grenze des Systemabsturz' entlangkodiert wird. Immer ist dabei zu beruecksichtigen, dass es hier um eine gewissermassen blinde Praxis des Begehrens geht, eines engagiert-flanierenden Abschreitens von Moeglichkeitsraeumen - und dass es nicht um politisch oder philosophisch konsistente 'Definitionen von Cyberspace' oder Online-Ontologie, sondern um den Anschluss an eine aussertextuelle aber nicht minder von Medien gepraegte Praxis geht.

Eine solche Kritik ist sich ihrer produktiven Paradoxien teilweise bewusst. Teil des Systems zu sein, das sie beobachtet und von dem sie sich distanziert, obwohl sie sich doch von ihm naehrt, macht ein bestimmtes Moment der Kritik erst moeglich. Die entstehenden Spannungen sollen jedoch nicht als Schuld zugewiesen werden, um sich die Rolle einer Ethik-Polizei anzumassen, welche Klick-Verbote erteilt oder auf korrekten Kennwortgebrauch achtet. Viel eher als um die Distanzierung vom Netz geht es um die Entfaltung einer Distanz im Netz, die Bereitstellung von Argumenten und Gedankengaengen. Es geht darum, die kurzzeitigen Freiraeume als solche zu geniessen, zu nutzen und moeglichst weit auszubauen. Hierbei kultiviert die Netzkritik ihr Entfremden, die Unwaegbarkeiten und Missverstaendlichkeiten und wendet diese um als 'Stachel im Fleisch des Kapitals', in der vorsichtigen Hoffnung auf Loecher im Netz, die auf ein Aussen verweisen, dass sich allen Ueberkodierungen und Vereinnahmungen entzieht.

Analog zur Herausbildung bestimmter Musikstile erweist sich Netzkritik als ein Entsorgungsunternehmen fuer obsolete Theorieobjekte, OTOs, die vom Aggregatzustand der 'theory' in der 'practise' uebergehen, es wird zitiert, gemixt, gesampelt, und der Rythmus bestimmt, welche Gedankenfetzen sich als Abziehbilder eignen, Graffities gleich, rekursive Parodien, vagabundierender und eigentlich ueberfluessiger und Begriffs-Gadgets (s. auch the aesthetics of uselesness) die ihrer Referenz entbunden ihre Wirts-Diskurse infizieren und berechtigten Zweifel aufkommen lassen.

Die unendliche Leichtigkeit der Netzkritik hat damit zu tun, dass es sich um ein doppelt entkoppeltes Projekt handelt, sowohl Stimme wie Papier existieren nur als 'Ausgabegeraete', intern wird der organlose elektronische Koerper bearbeitet, der Vorteil ist dabei der 'pleasure' Faktor, der Nachteil ein Verlust an Referenz und Gewicht, welche durch intensives Experimentieren wiederentdeckt wird. Ein grosser Irtumm besteht in der Naturalisierung dieses Kulturvierungsprozesses der elektrifizierten kollektiven Imagination und der Umleitung der Unluststroeme in einen neuen sozialdarwinistischen Maschinismus unter dem Diktat eines Mikrokapitalismus, wie ihn die californischen Neoliberalen a la Wired fordern. Trotz der elektronisch-digitialen Fragmentierung, die einer Vielzahl von Verdichtungen, Formaten, Regeln, Geschwindigkeiten und Planungen unterliegt, ist bei der Wahl der Metaphern und Bildersprachen die Bildung von 'Geschmack' von entscheidender Bedeutung. Dieser kann sich auch kontraproduktiv entwickeln und als 'Digitalekel' ein Weiterarbeiten erschweren. Er kann einen aber auch geniessen lassen, dass fuer eine Weile alle Gesetze des Marktes aufgehoben scheinen. Die Tage des Internets als geldfreie Zone, Potlatch-Park und hippieske Schattenoekonomie sind jedoch gezaehlt..

Neben der Herausbildung einer neuen Netzarbeiterklasse, die sich vor allem dort ansiedelt, wo die Loehne niedrig sind, einer Auslagerung der digitalen Webstuehle in die sog. Schwellenlaender steht die Frage, was wir mit unserer Zeit und dem schwindenden Wohlstand bei gleichzeitiger Uebererziehung anfangen werde. Dem Netzkulturarbeiter wachsen somit neue Aufgaben zu, er sieht sich in der Rolle, heroische Grossbilder anzufertigen, die die Erhabenheit von HotJava, VRML, Netscape und TCP/IP und nicht zuletzt dem Mythos der Information Geltung geben. Dem gegenueber imaginiert Netzkritik eine Praxis der sozialen Anschlusse, des Low-Tech, der Anbindung der Netze an Clubkultur, Piratenradio, Irrenhaeuser und vielfaeltigen Moeglichkeiten taktischer Verlangsamung.

Die besondere Handwerklichkeit der Digitalisten wurde bisher oft uebersehen; ihr staendiges Herumfrickeln und Umaendern, ihre Konzentration auf das Herumpegeln narzistischer Regelkreise, das interaktive Fort-Da, ihre Detailversessenheit und Freude am Unfertigen, bedeutet im Gegensatz zum traditionellen Form-Inhalt-Werkbegriff einen mitunter schwierigen Perspektivwechsel, welcher eine 'distanzierte Haltung' aufgibt zugunsten einer intensiven fast kindlichen Sehnsucht nach Beteiligung, einem Wunsch nach Verschmelzung, sei diese auch noch so immateriell und entfremdet. Die Wunschoekonomie der elektronischen Medien beguenstig ein dionysisches Vorgehen, woraus die kuehlen Rechner wiederum Kapital zu schlagen wissen. Fuer eine Weile scheinen die Karten neu gemischt zu werden, und unerhoerte Karrieren rufen nach Scharen scheiternder Nachahmer.

Die dynamische Materialitaet der digitalen Werkstoffe geht hervor aus einem Hypernaturalismus. Alles waechst, verlebendigt sich, dynamisiert sich in einem 'art nouveaux' des Info-Vitalismus und wird auf den Klickflaechen nach den aesthetischen Kriterien von lebendig/tot, sexy/ugly, hot/cool bewertet. Der aesthetische Raum des Digitalen spielt mit einer Dialektik der Enttaeuschung; den euphorischen Erwartungen und Oeffnungen des Moeglichkeitsraums (Grenzerfahrungen, Millionengewinne, Pionierruhm und weltweite Freundschaft) stehen die ernuechternden Fehlleistungen der Datensubjekte gegenueber (Programmierfehler, Wartezeiten, Kitsch, Bankrott).

Man spricht nicht genug von den Wirkungen der Moeglichkeitsdimensionen, ihrer Abhaengigkeit vom Beobachter, ihrer Tendenz, als 'virtuelles Projekt' oder Ruine der Fehlplanung zu enden, ihrer Wandelbarkeit durch puren Willen und sozialen Prozess, den Resonanzen von Zeit- und Zeichenraeumen. Die Vagheiten und Mikroebenenen endloser Modifizierbarkeit muessen fuer eine 'Ars Digitalis' neu bedacht werden. Vielleicht hoert man es am besten in der Musik (Elektro oder Oval wiederhoeren), es geht um Vektoren von Struktur/Geschwindigkeit, um die Aufloesung der Gewissheitsbloecke in Intensitaetszonen verschiedener Dichte, Sound-Territorien mit Anschluss fuer Alle, nichts Metaphysisches, sondern um Allgemeinplaetze, alltaeglich entsubjektiviert und nicht staendig auf den einen Zentralsignifikanten ('ich bin gruen') verweisend. Vor allem aber, bringt es nichts, darueber zu diskutieren, ob moeglicherweise die Theorie der Praxis vorauseilt, die symbolverarbeitenden Maschinenen den Intellektuellen abloesen; es ist muessig zu fragen, ob nun Musik oder Bild oder Text den Projektleiter stellen, wenn es darum geht, die kurze Zeit zu nutzen, in der die Verteilungskaempfe um die elektronischen Netze 'wirkliche Moeglichkeiten' zur Veraenderung bestehender Machtgefuege offenstellt. Es geht ueberdies darum, das 'Netz als Machtdiskurs' mitzubestimmen, avantgardistische Netzkultur als hegemoniale Ideologieschmiede zu untersuchen und schon im Vorfeld gegen die bedrohlichsten Verfuehrungen und Rethoriken Partei zu ergreifen.

Das Arsenal am gruenen Tisch der Netzkritik ist nicht unbekannt: Eine hybride Anbindung an andere Medien und Raeumlichkeiten, soziale Praxis des Zufalls, keine Denkverbote, offene Standards, free ware, die Balance von Transfuturismus und ewiger Wiederkehr, das Ueberwinden der Pastorale in der negativen Kritik, Unwillen, nur abzuzocken. Es geht nicht um die Uebermittlung und Verbreitung von schlechtem Gewissen, die Kontrolle der Gedanken durch die Erstellung von Listen fuer richtiges Denken, den 'arbiter elegantus' zu mimen, sondern um einen berechtigten Glauben an den gemeinsamen Abbau der hyptnotischen Effekte von Medienmacht, welche die Spielraeume und Risse aufzeigt, um positive/destruktive Handlungsdimensionen zu erroeffnen, schliesslich die Weiterfuehrung des Projektes der Negativitaet mit anderen Mitteln.

Die Netzkritik muss sich ernsthaft die Frage stellen, ob es jenseits der Mode noch Moeglichkeiten gibt, Messages zu uebertragen. 'Stell dir vor es gibt Kritik und alle hoeren zu.' Wenn es eine Mode ist, wird sie vorruebergehen. In Zeiten des Hypes koennte eine kleine Netzkritik leicht unter den Verdacht geraten, sich an den kollektiven Wunschstroemen guetlich zu halten. Je nach Empfindlichkeit wird man darum versuchen, den Parasiten unschaedlich zu machen. Das explosive Wachstum der Netze gibt der Kritik Raum zu vielfaeltigen Wucherungen. Man wird diesen Wildwuchs zu entfernen versuchen, wenn er droht, dem Wirt gefaehrlich zu werden. Das Rauschen in den Netzen ist gross und erhaben, Netzkritik als Begleitmusik steigert die Akzeptabilitaet fuer diejenigen, welche berechtigten Zweifel haben. Wenn die erste Internetskepsis fuer Schlagzeilen sorgt und die Visionaere ausgedient haben, werden sich neue Positionen ergeben, aus denen das ganze Projekt zwielichtig erscheint.

Solange man versucht, zu kritisieren, was man nicht kennt, ueber Erfahrungen zu diskutieren, die man nie gemacht hat, und Dinge zu beschreiben, die man nie gesehen hat, sondern sich ganz im Gegenteil auf die Ebene der Immanenz einlaesst, die Pflicht, sich intensiv mit dem Gegenstand der Untersuchung selbst zu beschaeftigen, laesst sich vielleicht vermeiden, dass die Netzkritik zum belanglosen Spiegelkabinett wird.

Das Gepaeck der Netzkritik: Man braucht nicht nur eine geschichtliche Grundlage der Medientheorie, ein traditionelles Wissen um Textkritik, sondern auch gewisse technische Kompetenz, Bekanntschaften mit Programmierern, Computer-literacy als die praktischen mitunter beaengstigenden Erfahrungen, wie sich Begriffe von Subjekt, Wissen, Zeit und Raum und Eigentum 'im Netz' veraendern. "Wie soll man ueber Drogen reden, die man nicht probiert hat?" 'Wie kann man kritisieren, was man nicht kennt?'. Es gibt keine Filmkritik fuer die, die nie einen Film gesehen haben - was nicht bedeutet, dass das Filmeschauen augenblicklich zu Filmkritik befaehigt. Der kurze Sommer des Netzhypes geht zu Ende, die naechste Phase baut auf auf den Erfahrungen der vorangegangenen. Fuer vieles Unerprobtes heisst es 'ab ins Museum fuer temporaere Autonomien'. Ausserdem gibt es noch viele andere Dinge, die uns wichtiger erscheinen. Wir wollten gerade gehen und ein Bier trinken. Die Online-Welt wartet in der Ecke und schreit lautlos vor sich hin.

 

 

 

2. Aufstieg und Fall der Stadtmetapher

"The one who controls the metaphors controls the mind" Die Frage nach der Macht der Metaphern taucht in der heutigen Netzkultur nicht auf, weil es ein Beduerfnis nach Geborgenheit und Vereinfachung gibt. Das Komplexe und unverstaendliche von technischen Prozessen soll verborgen werden, um das Menschliche der Maschine hervorzuheben.

Es findet eine Uebertragung statt, von einem Bereich, den man zu kennen glaubt zu einem Bereich, von dem man besser nichts wissen will oder soll. Bei der Wahl der Metaphern geht es darum, Selbstverstaendlichkeit herzustellen und den Verkauf anzuregen und nicht darum, die Grundannahmen zu erforschen, die zur Bildung der gueltigen Metaphern fuehren.

Ein entscheidender Schritt wurde gemacht mit der Einfuehrung der Desktop-Metapher. Eine Reihe von Uebergaengen fand statt: Weg von der Kommando-Schnittstelle hin zur graphischen Fensterwelt, weg vom Text hin zu einer Bildsprache, weg von der Ungreifbarkeit hin zur Pseudo-Taktilitaet. Ein gemeinsames Interaktionsfeld sei zu gestalten und die Distanz von Mensch zu Maschine zu verringern. Der Erfahrungsraum der alltaeglichen Verrichtungen des Benutzers spiegelt sich nun zergliedert und vereinfacht in einer Reihe von Symbolen auf dem Bildschirmflaeche wieder und fuehrt in der Folge z.B. zur Ausbildung voellig normaler multipler Identifikationen (Sherry Turkle). Noch ganz der Buerowelt verhaftet, landen schliesslich alle Dinge als Dokumente auf dem Schreibtisch, von wo aus sie gelesen, geschrieben, geaendert, gestempelt, verschickt oder weggeworfen oder kopiert werden.

Die Verbindung der persoenlichen Computer durch Kabelnetze ueber weite Strecken hinweg fuehrte zur Entdeckung eines neuen unbekannten 'Raumes'. Die Zweidimensionalitaet der Schreibtischoberflaeche wurde nicht aufgehoben (auch nicht bei Netscape) sondern dessen Grenzen wurden bis ins globale ausgeweitet. Die Grenzen des Private werden neu verhandelt. 'Unser desktop soll sauber/frei/schmutzig bleiben'. Um den hohen Abstraktionsgrad vorstellbar zu machen, greift man in der Vorstellung auf einen dreidimensionalen Raum zurueck. Der Cyberspace aber wird nicht als blosse Raummetapher gehandelt, sondern bleibt ein Raum der Mythen und Fiktionen zeitgenoessischer Propheten und Science-Fiction Schriftsteller in der Tradition imaginaerer Raeume wie Olymp und Purgatory. Das Internet als 'virtuelle Geographie' folgt den Architekturen der postalischen und elektrischen Netze und kann als internationaler Zusammenschluss von Computern nach dem tcp/ip-Protokoll beschrieben werden. Es ist ein nicht-euklidscher Raum mit n-Dimensionen, dagegen bleibt 'Cyberspace' ein Erinnerungsraum abendlaendischer Kulturgeschichte.

Die Gesetzmaessigkeiten der 'architectura cybernetica' sind gepraegt von der Gewalt des Gruendungsaktes, der Trennung von polis und nomos, Netzkultur und digitalem Chaos, dem Ausschluss des Rauschens zugunsten der Information, damit die Akkummulation von 'content' und e-cash vonstatten gehen kann. "The 'spacing' of cyberspace poses the question of metaphysics as control over the confused, the invisible, the dark, the magic, the sacred" (Johan Sjerpstra) Die Metapher ist ein Mittel, die Schwierigkeiten beim Uebergang in eine neue Organisationsform zu verbergen, die damit einhergehenden Disziplinierungen zu legitimieren und den Ursprung von deren Gewaltsamkeit zu verdecken. Sie dient der Herstellung einer symbolischen Ordnung. Der 'Grund' des Internets mag bekannt sein, es ist die militaerische Logik, aber dessen Konsequenzen bleiben im alltaeglichem Umgang raetselhaft und beduerfen einer Verniedlichung. "the machine is a house for living in" (le Corbussier)

Die Kritik der Netzmetapher begann mit der Kritik an der "Datenautobahn", die zugleich eine Kritik an zentralistischer Staatspolitik formulierte. Dabei vertraute man einer naiven Ideologie des rhizomatischen Wachsens von unten und versuchte die unregulierte Marktwirtschaft zum Naturgesetz zu machen. Das Laecherlichmachen der Strassenmetapher diente gleichzeitig der Mythisierung der wilden Info-Tope, einem Glauben an die virtuelle Unabhaengigkeit der natuerlich gewachsenen Datenlandschaft. Diese naturwuechsige Graswurzel-Kultur werde von der rohen Staatsgewalt plattgewalzt. Als Kunde von der Widerkehr der modernistischen Grossprojekte durchquerte die Parole des 'Information Superhighway' das gesellschaftliche Feld, um schliesslich der Geschichte der imaginaeren Raeume des . Jahrhunderts ein weiteres Kapitel anzufuegen. Das grossraeumige Erleben der Datenlandschaft nimmt in der Geschichte der Wunschoekonomie des elektronischen Raumes eine bevorzugte Rolle ein. Die Erfahrung des Fahrens, Fliegens, Surfens koennte der Aufloesung von Bloecken kulturellen Unbehagens dienen und spielt mit dem Versprechen anderer, unbekannter und besserer Welten.

Der historische Dreischritt Autobahn, All, Datenraum durchlaeuft ein technokulturelles Programm der ewigen Widerkehr: 1. Phase der Mobilmachung der Phantasie, 2. Konsolidierung der Wunschstroeme 3. Krise, Zusammenbruch und neue Versprechungen. Dieser Prozess wird markiert durch Ereignisse wie Oelkrise, Challenger, Tschernobyl und Mauerfall. Mit der Aufloesung des dualistischen Paradigmas des Kalten Krieges und seiner Grenzen taucht die Erzaehlung von der 'Virtual Reality' auf, dicht gefolgt von den metaphorischen Verdichtungen Cyberspace, Matrix, Datenautobahn bis hin zur Stadt im Netz.

Die Kollektivierung der Metapher als Taktik der Verbloedung dient der Kaschierung von Loechern im Moeglichkeitsraum. Die Infobahn als Buendelung massenhafter Fluchtlinien dient vor allem als Lockmittel fuer Ahnungslose, die alte Medien und deren Politiker in die Zukunft einweiht und von der einen symbolischen Ordnung in die andere hinueberfuehrt.

Offensichtlich wiederholt die Geschichte des Datenraums eine Geschichte der Kolonialisierung. Die ganze Kulturhistorie soll im Zeitraffer des Theaters des Virtuellen durchlebt und damit ueberwunden werden. (cathartic interface). Die rohe Gewalt der Technisierung bedarf der Formgebung durch den Rueckgriff auf das Repertoire ideologischer Muster und mythischer Gestalten. Am Anfang steht der glatte Raum reiner Intensitaeten, des ganz Anderen und Unbeschreiblichen, dieser erfaehrt eine Zentralisierung in Tunnel- und Mandalaeffekten, woraus die Zentralperspektive der 'Matrix' wird, die durch Bemassung und Rasterung (Digitalisierung) zustande kommt, und an welche sich die einzelnen 'Benutzer' direkt ankoppeln, woraus die vernetzten Mensch-Maschine-Schaltkreise des 'Cyberspace' entwachsen, die wiederum mit der Infrastruktur der 'Datenautobahn' gekoppelt, der Allgemeinheit, dem Staat und der Gesellschaft zugaenglich gemacht werden. An den Verdichtungen und Kreuzen dieser kollektiven Vektoren liegen bereits oder entstehen die Staedte im Netz, die im Moment dabei sind, sich zu digitalen Ballungszentren zu entwickeln. Die naechste Organisationsstufe ist mit den 'virtuellen Staaten' erreicht. Eine Metaphorik, die bereits fuer weltumspannende Firmennetze gelten soll (AT&T, Phillip Morris, Exxon...), und ganz eigene Fragen aufwerfen wird.

Die Stadtmetapher taucht also an den Verdichtungen der Datenfluesse auf; und sie ensteht durch einen Bedarf nach symbolischer Ordnung (nicht Mandala sondern Strassen und Plaetze). Die digitale Zivilisation geht zurueck auf ein Wirrwar von Festplatten, BBS-Systemen, kleinen Servern, halbwegs computerisierten Institutionen und versprengten Gruppen. Der Begriff der 'virtual community' (Howard Rheingold) definiert eine Gemeinschaft der Teilinteressen raeumlich verteilter Individuen - Sammelleidenschaften, seltene Krankheiten, Betriebssysteme, Fernsehserien, Sex und Spiele. Die 'civitas digitalis' dagegen umfasst eine Summe von Interessen lokal eng zusammenwohnender Individuen, den realen Stadtbewohnern. Eine gewisses Selbstverstandnis vom Stadt-Sein wie in Amsterdam und Bologna scheint die Entwicklung zu beguenstigen.

Die Verdichtung, die im Netz angestrebt wird, existiert bereits schon vor Ort. Sie ist ein Ordnungsprinzip in Zeiten extremen Wachstums und ein Magnet fuer flottierende Datenpartikel und unentschlossene User. Als Einstiegsmetapher dient die Uebertragung der Alltagswelt in die Kaelte abstrakter Digitalitaet, der Herstellung von Gemuetlichkeit und Gemeinschaftsgefuehl und dem Zustandekommen wirklicher sozialer Kontakte (datings, Freundschaften, Ehen, Kinder). Es gab sehr hohe Erwartungen und Traeume in Richtung einer Politisierung der TelekommunikationsteilnehmerInnen, digi-polis kann die Krise des Politischen jedoch nicht ueberwinden, sondern macht sie in ihrer Agonie auf den interaktiven Multimediaterminals umso sichtbarer.

Der politische Aspekt der 'polis' war zu instrumentalistisch gedacht, die Demokratisierung der Gesellschaft durch die Demokratisierung der Netze, als Beteiligung kommunaler Entscheidungsprozesse, blieb ein frommer Wunsch nach 'magischer Fernwirkung', das 'forum' von Platz, Strasse und Kneipe laesst sich nur ungenuegend in den virtuellen Raum kopieren, es liess sich nicht verbergen, dass der herkoemmliche politische 'Koerper' zuerst mit dem fleischlichen identisch ist.

"Das Automobil war eine 'Kutsche ohne Pferde' oder das Radio der 'drahtlose Fernschreiber', die 'immateriellen Staedte' helfen uns ueber die Uebergangsphase hinweg. Spaeter werden sie uns dann laecherlich erscheinen" (W.J. Mitchell) Nun hoeren wir vom Wunsch nach metaphernlosen Netzen, die komplett auf autonomen Zeichen-Systemen aufbauen und frei sind von aller Referenz. Natuerlich werden sich die Netze weiterentwickeln, sie werden ihre eigenen 'Zeichenregime' und 'Konsistenzebenen' entwickeln, doch es braucht immer wieder den Anschluss an etwas ausserhalb oder unterhalb Liegendes, das mituebertragen wird, das Territorium, Erinnerungen, greifbare Dinge. Nicht wenige 'abgehobene Internet-Projekte' vergewissern sich ihrer Abhaengigkeit von der Materialitaet durch eine Kultivierung der Fehler und Missgeschicke.

Die digitale Stadt Amsterdam gilt als Urbild fuer jeglichen Netz-Urbanismus. Es bleibt das einzige Projekt dieser Art, das bisher ueber den Modellstatus hinausgelangte. Begonnen 1994, hatte sie Anfang 1996 50.000 User und fuehrte zu Ablegern in weiteren Staedten, Doerfern und Regionen Hollands. Netztopologisch waere damit der Vergleich zu den grossen kommerziellen Onlinediensten nahe, wobei aber im engeren Sinne eine 'digitale Stadt' am ehesten als Summe alle verfuegbaren Server und Netze eines Ballungsgebietes gelten koennte.

Im Dienste der Errichtung der kommenden Informationsarchitekturen wird der Ruf nach 'besseren Metaphern' laut, statt als 'Modedroge' sei auf ein interdisziplinaeres 'Prozessdesign' zu vertrauen, das 'idealerweise Techniker, Kuenstler, Designer, Kommunikationsforscher und Medientheoretiker' umfasse. Hiermit wird am alten Bauhausmythos weitergestrickt, der letztlich ein pragmatisches Herrschaftswissen aus utopistischen Grossentwuerfen und universalitstischen Geheimlehren herauszudestillieren versucht. In der Entwicklung des Professionalismus entsteht die institutionalisierte Projektgruppe in Aneignung des Ideenmaterials der losen und in Loyalitaetsverhaeltnissen gekoppelten 'Techno-Tribes'. Auf dieser Ebene der Erstarrung und der parasitaeren Nutzung unbezahlter und mitunter dogmatischer Avantgardisten entstehen die 'modernen' Oberflaechen der generalisierten Medienverbuende, wie man sie vom Fernsehen und Radio her kennt.09

Nachdem die Stadtmetapher geboren war, wurde sie andernorts uebernommen. Oliver Marchart, Wien, berichtet: "Wem ein Wien nicht schon genug ist, der kann sich seit Dezember '95 in Wien.at ansiedeln. Die meisten digitalen Staette bauen auf dem selben Raster auf, sauber getrennte Bezirke fuer die Kultur, den Markt, die Wissenschaft und fuer die Verwaltung. Es ist aber kaum jemandem klar, wozu man eine virtuelle Verdopplung Wiens tatsaechlich braucht, ausser zum technologiepolitischen Facelifting der Gemeinde Wien. Und so pfeift der Wind durch die einsamen Gassen von wien.at"--"Statt die Menschen von der Technologie zu entfremden, um eine nuechterne, aufgeklaerte Benutzung ueberhaupt erst zu ermoeglichen, will man sie 'naeher bringen'. Was dabei herauskommt, ist eine bevormundende 'Wie-sag-ichs-meinen-Kindern'-Verbloedungspaedagogik: Haeuschen, Ikons, im Kreis um den Dorfplatz. Der User darf sich nicht verlaufen und soll sich zu Hause fuehlen."

Heidegger warnt: "Menschsein heisst Wohnen". Die Abneigung der Stadtmetaphernkritik an der Verdopplung taeglich erlittener Naehe digitaler Nachbarschaft, geht zurueck auf das Leiden an der Biederkeit des real existierenden Anderen. 'Vernetzung ist machbar, Frau Nachbar' Der Unwillen, sich der Verniedlichung durch Interfaces zu beugen, geht zurueck auf den Anfangsmythos des VR-Traums, eines immensen instantanen Hypertextes, der dem Wunsch nach Erhabenheit und sublimer Ergriffenheit vor allem durch die scheinbare Freiheit zu mannigfaltigen Entscheidungen Nahrung gab. In der Logik dieses Gruendungsmythos ist die darauffolgende Entwicklung eine Geschichte des Verfalls. Demgegenueber gibt es einen digitalen Konstruktivismus, der als Teil der Netzmoderne auf die Massenanfertigung von Datenumgebungen vertraut und den Problemen der grossen Netzerzaehlungen nicht aus dem Weg geht. Die Verheissungen eines digitalen Weltbuergertums reiben sich an den Beduerfnissen des Otto-Normal-Users nach Beschleunigung, Sicherheit und Synergie. 'Die Masse sucht nach Entladung' Letztendlich ist die Metaphernfrage eine Frage der Anfertigung grosser Erzaehlungen und medialen Grossereignissen, 'kollektive Auesserungsgefuege' als Medien-gewitter, vergleichbar mit Shell-Boykott und Atombombentest, die den Ueberschusses an unverdauter Datenangst Abhilfe verschaffen, und uns dabei helfen, die taeglich einstroemende Komplexitaet zu meistern. Wer nach dem Zusammenhang fragt, meint oft solche Kennwortoekonomie.

Eine Genealogie der Stadtmetapher waere am Beispiel praktischer Projekte auszuarbeiten: Freenets (Cleveland, Mitte der 80er), Virtual Community (The Well, San Francisco), Habitat (Santa-Monica/Japan), Virtual City (Loeffler), Electronic Townhalls (Ross Perot), Digital City (Amsterdam), Info-City Metropolitan Area Network (Vebacom, 1996).

Es gibt Laender, in denen Teledemokratie grundsaetzlich eine Wahnidee ist - und es gibt solche, in denen quasi monatlich ein Referendum (Volksabstimmung) stattfindet; schliesslich solche in ihnen Befragungen abgehalten werden, die jedoch nicht viel sagen oder veraendern. Wenn ueber die elektronische Demokratie geredet wird, samt ihrer Orwellschen Dimensionen, geht es meistens um das 'Phantasma des Direktanschlusses', um den Wunsch oder die Furcht, das Parlament auszuschalten, eine Rationalisierung der Entscheidungsprozesse, das Geruecht, das der Polizeistaat durchs Kabel kommt (als wenn er nicht laengst bessere Methoden gefunden haette), tatsaechlich aber haben die Fragen von 'Privacy' und 'Property' wenig zu tun mit der Tatsache, das die taegliche Mikrodemokratie unabhaengig von ihrem Medium ist. Ob Strasse, Flugblatt, Radio, Fernsehen, Computer, Internet - ein Mediendeterminismus des Willens zur Demokratie ist Teil jener Verheissungspolitik, die Zukunft mit Technik gleichsetzt. Die Idee, Computer fuehrten zu mehr Demokratie, also zu 'kompetenteren Entscheidungsprozessen', hat sich bisher noch nicht nachweisen lassen und wird aller Wahrscheinlichkeit nach in das Museum fuer gescheiterte Utopien aufgenommen.

Der Entwicklungsstrang: Mediendemokratie, elektronische Demokratie, Teledemokratie, digitale Demokratie deutet eher auf eine Miniaturisierung des Konzeptes im Sinne einer Mikrodemokratie. Es findet nicht nur eine Verschlankung der Demokratie statt sondern es kommt zu einer 'Demokratie der Schalter', die einerseits zum Ausschluss derer fuehrt, die keinen Zugang zu den Schaltern haben, andererseits die Tenzenz hat, sich in den Bereich der Unsichtbarkeit und Automatisierung zu minuatisieren.

Entweder wird es weiterhin eine heterogene, krebsartige Verbreitung miteinander im Wettstreit stehender Metaphernmaschinen geben - oder aber die kreative Klasse von Schriftstellern, Visionaeren, Hackern und ambulanten WissenschaftlerInnen hat ausgedient. Die drohende Wiederkehr des Staates, ob unter dem Vorzeichen von 'virtual america', 'corporate culture' oder schlicht 'virtual state', wird nur noch uebertroffen von einer Gaia-Theorie eines techno-natuerlichen Netzgeistes, der sich als ganzes vom terrestrischen Koerper loest und kosmisch wird. Alle Arten von grandiosen Indendifikationsmitteln der virtuellen Welten werden jedoch nicht verhindern koennen, das man jederzeit von Deutschland nach China telefonieren kann.

Eine Metapher kann eine Idee oder ein Konzept bleiben oder sie kann in 'Software gegossen' werden. Im ersten Fall bleibt sie offen, vage und muss notwendigerweise mutieren, bis hin ins Perverse und Banale, im zweiten Fall geht es um Homogenisierung und Konsolidierung, dem Einfangen in ein Programm. Einen dritten Raum gibt es nur als pragmatischen, welcher die beiden Bewegungen vereint. Enorme Kraefte werden in Gang gesetzt, um die Fluchtwege in die Informationsgesellschaft zu blockieren und wieder zurueckzubiegen. Viele vergessen allzu leicht, 'dass man Information nicht essen kann' (Hakim Bey). Einem Grossteil der Welt muss der Weg in die Virtualisierung zwangsweise verschlossen bleiben, weil dringendere Probleme zur Loesung anstehen. Am Ende des 'golden age of the internet' steht ein Weltkrieg der Standards, der Franchisekonzepte und digitalen Buerokratien; ein Krieg, der gewaltsam versucht, die sich absetzenden Stroemungen von kulturellen Viren und kleinen Konzepten in seine Tauschsysteme der 'civilisation of the mind' zu integrieren. Diese verdichten sich zu Firmenstrategien und plattformuebergreifenden Standards, zu einem kopflosen Technopol, der sich der Metapher des Lebens bedient, um seinen Herrschaftsanspruch zu legitimieren. Die Einfuehrung des Netzgelds tut das Ihrige, um ein universelles Mass einzufuehren, das saemtliche Transaktionen und Veraenderungen ueberkodiert, mit der Gefahr eines deliranten Entstadiums, bei dem die Kapitalstroeme in ihrer selbstreferenten Reibungslosigkeit 'heisslaufen'. Was man zur Jahrtausendwende dagegen sucht, ist die Verdichtung, Subjektivierung, das 'Zurueck' als ein Wille zur Unterwerfung angesichts der unendlichen Leere der virtuellen Moeglichkeitsraeume.

 

 

 

3. Zur Massenpsychologie der E-kultur

'Theorie Hype Praxis', 'tiefgreifende Veraenderungen', 'innovative Input-Output Apparaturen', 'laengst Realitaet', 'weltweite Verbindung', 'bereits 30 bis 50 Millionen', 'Screendesign als Herausforderung', 'copy-it for almost no cost', 'die Informationsflut bewaeltigen', 'Full Power am Internet', 'Interaktives Stimmunsbarometer', 'Einkaufbummel im Cyberspace', 'Revolution im Wohnzimmer', 'zeitgemaesses Informationsdesign', 'Kinder versuchen es einfach', 'regionale Abzweigungen besuchen', 'Altes erhalten, Neues gestalten', 'wir stecken noch mitten im Mittelalter', 'perfekte Zusammenarbeit zwischen Mensch und Technik', 'die unbegrenzte Welt', 'jenseits der Grenze wartet die Freiheit', 'Papier ist phantastisch', 'Internet ist eine Party, die nicht zu Ende geht', 'wie erhoehe ich die Akzeptanz des Mediums', 'Sonntagsfahrer auf der digtitalen Autobahn','Sprachlehrer fuer die Konversation mit Neuen Medien', http://www.riv.net/sex4all/, vernetzte Anarchie, 'inflationaere Presseberichte', das Medium verbindet nicht nur Menschen sondern auch Text, Bild und Ton', 'der Begriff "Internet" hat Hochkonjunktur', 'Ein Zuhause fuer die Grenzenlosen', 'gigantischer Informationsbedarf', 'jeder muss sich auf die Informationsrevolution einstellen, 'weltweit fuehrender Web-Spezialist: Joichi Ito', 'Strassenzustand Information-Highway Sachsen' 'wollt ihr die totale Information?', 'seid nicht eins oder viele, seit Vielheiten', 'Internet handelt nicht von Information, sondern ist ein Erlebnis', 'vor allem Jugendliche laufen Gefahr, reine Medienkonsumenten zu werden', 'Medien und Informationskompetenz', 'versaut und multimedial', 'sind Sie ein digitaler Nomade?', 'Sodomie auf dem Datenhiway, kein Problem'.

 

 

 

4. Unternehmen Zukunft

"Ich will ein Fisch im Wasser sein und Blassen blubbern lassen" (Nina Hagen). Ein Leben ohne Zukunft ist fuer die Computer- und Netzwelt undenkbar. Der Begriff selbst bedeutet 'Ankunft' aber auch 'Ungewissheit', im einen Fall ueberwiegt der Moeglichkeitssinn im anderen der Wirklichkeitssinn, im ersten ist die Unberechenbarkeit die treibende Kraft, im zweiten die Berechenbarkeit. Als ob alle auf der Optionsboerse beschaeftigt waeren, geht es immer darum, wie man dorthin kommt; die Reduktion von Moeglichkeiten ist die Aufgabe von 'Zukunftswerkstaetten', 'Futurologen', 'Prognos AG', 'delphi' und 'oracle'. In den 60ies war 'future' gebunden an fertige Beschreibungen, wie 'space age', Unterwasserwelt, Nuklearenergie, mittlerweile weiss man, dass Zukunft konstruiert ist, dass sie staendig neu produziert wird. 'future is now'. Mit Abstand besehen ist Zukunft im Werden, entfaltet sich, ist kein Ort, ein dynamisches Prinzip des Zufalls, das sich allein durch den magischen Akt des 'futur II' auf seinen Benutzer uebertraegt, aus der gottgleichen Perspektive des 'es wird gewesen sein' ist es moeglich, einen 'Wirklichkeitssinn' fuer grosse Entwuerfe wie kleine Entscheidungen zu entwickeln. Es ist moeglich, das Feld der Zukunft von zwei Polen aus zu organisieren, denen eine Vielzahl von Namen gegeben werden kann, hier: das spekulative planhafte, wie man dorthin kommt, die konspirative Planwirtschaft, die sowohl an das Nichteintreten von Utopien wie die penible Durchfuehrung gebunden ist, langfristiges Untergraben und Vorbereiten, Buerokratie. Die zweite Version nimmt die Zukunft voraus, beispielsweise im Rueckblick auf Techno, 'wenn genug Leute so tun als sei jetzt 23 dann ist es auch 23', eine Art futuristischer Aktionismus, der sich ueber den Konstruktivismus des Kommenden klar ist. Daher das geringe Interesse fuer das, was noch nicht fertig ist, wie das Internet, das auf Ahnungen und Planungen basiert, wenig erhaben ist und im Prinzip ueberhaupt nicht zum Wiedererkennen des Kuenftigen taugt. Viele haben heutzutage blade -runner-Erfahrungen; die Pudding-Welt von exstasy und die Maschinen-Zeit der 303, die Simultanitaet der Strobo-Gewitter eroeffnen den synthetischen Raum des reinen Moments als die Aufloesung der linearen Zeit. Es ist das Gegenteil von Traum, Konzept, Idee und Plan - es ist ein Kult der reinen Intensitaet, Jetztzeit.

Fuer die 'Kalifornische Ideologie' geht es darum, beide Vektoren moeglichst wirksam aneinander zu koppeln. Es ist die Unertraeglichkeit der realisierten Utopien, der Unternehmer-Erfinder und Plattitueden-Dealer. Es gilt, Massenkristalle zu bilden, die die Zeit ueberdauern und die Zeit ueberstehen koennen, 'memes', die einfach nicht kaputt zu kriegen sind, und die Zeitreise in die Zukunft ueberstehen.

Die 'immediatists' haben keinen Masterplan, sie kennen nur die Party, die nie aufhoert. Ihr tautologisches Kennwort 'Zukunft' ist gepraegt durch die ploetzlichen Erfahrungen um 1990, das Einbrechen des Ereignisses quer durch die organisierte Langeweile, 'alles ist moeglich, alles passiert jetzt'. Dies dynamische Prinzip wurde schrittweise uebernommen und lebt weiter in Begriffen wie 'Unternehmen Zukunft' und 'Zukunftsminister'.

Es gibt daneben einen Pragmatismus, der sich auf einen kurze Planungszeitraum beschraenkt, und sich auf einen Machbarkeitwahn beruft, der auf einer ausgekluegelten Szenarienforschung beruht. Als Nebenwirkung hat man die Illusionslosikeit und Langeweile. Die Verstaatlichung des Moeglichkeitssinns schafft desillusionierte Subjekte. Das Schliessen der Moeglichkeitsraeume wird auch im Netz stattfinden und die Erschliessung neuer imaginaere Raeume notwendig machen. Die Kuenstlichkeit von Techno ist eine der wenigen Raeume, in der das Komplett-Synthetische kein Ideal ist, sondern staendig neu realisiert werden muss. Die Reiseerfahrung durch die Territorien der Soundscapes, widerspricht der Repraesentanz von Rock+Roll, der Darstellungskunst und dem Subjektdesign. 'Internet is now' folgt dem selben Muster: es gibt die einmalige Option, es einfach jetzt zu machen in dem Wissen, dass Autonomie temporaer ist und sich nicht verfestigen laesst, sondern sich im selben Moment verfluechtigt, in dem die Verfestigung stattgefunden hat. Die Mediatisierung ist kein Endstadium. Die Alternative besteht darin, es auf der Ebene der Planung von virtuellen Projekten zu belassen und sich an ihrer Grandiositaet zu erfreuen; es gibt eine Vielzahl an genialen Skizzen und detailgetreuen Karten anzufertigen, und es gibt einen Trampelpfad, der immer wieder neu zu finden ist.

Auch 'im Netz' wird es irgendwann Zeit zu verschwinden und anderswo wieder aufzutauchen. Es gab eine intensive Phase des Aufbruchs in BBS, Newsgroups, MUDs and MOOs, man war sich der Anwesenheit des Kommenden voellig bewusst, hatte jedoch nur die beschraenkten technischen Moeglichkeiten der Textoberflaechen, welche der Imagination Entfaltungsmoeglichkeiten gab. Diese bereits legendaere und verklaerte Pionierzeit war die des ekstatischen 'electric writings', das dem unbekuemmerten libidonoesen Ausprobieren verhaftet war, und der Potentialitaet, Virtualitaet und Schaerfung des Moeglichkeitsinns vertraute. Die Sturm und Drang-Phase der Netze, von der der Cyberspace-Mythos noch immer durchzogen ist, wurde jedoch durch die Realpolitik der Firmen und Regierungswelt abgeloest, die nun das Internet in ihre Sachzwangpolitik reterritorialisieren.

 

 

 

5. Cyberspace und Schizophrenie, der Anti-Barlow

Am 9. Februar 1996 veroeffentlichte John Perry Barlow, ehemaliger Chef der Electronic Frontier Foundation, vom schweizerischen Davos aus ein mittlerweile in tausendenden Kopien zirkulierendes elektronisches Pamphlet mit dem Titel "Unabhaengigkeitserklaerung des Cyberspace". Anlass ist der Communication Decency Act, der es unter Strafe zu stellen versucht, die Worte 'shit, piss, fuck, cunt, motherfucker, cocksucking, dick' im Internet zu benutzen. Das Manifest markiert das Ende eines Zeitalters, an das viele geglaubt haben, das der Oeffentlichkeitsarbeit und des Lobbyismus. Die Gesetzlosigkeit der temporaeren autonomen Zone geht ihrem Ende zu, und die Eingliederung der Freiheitsdurstigen in den Alltag der Marktwirtschaft hat laengst begonnen.

Die Baendigung des Biestes Internet durch die christlich-moralische Mehrheit ist Teil einer Normalisierung und des Kulturkampfes im Namen der Langeweile. Die Austreibung der Differenz in die Randbereiche und in die Illegalitaet geht aus von der Utopie eines 'Safe Internet for the masses', einer 'gentrification' der digitalen suburbia zur permanenten Durchsetzung der Sorge um sich und der globalen Herrschaft der Null-Risiko-Ideologie der IKEA-gesellschaft. 'gesund, sportiv, nett, creativ, aktiv, schamlos, mittelmaessig'. In Prodigy, AOL und T-Online finden sie eine kontrollierte Heimat im Netz. Die Wiederkehr der Tugend, der Benimmregeln, und des gepflegten Gliederstreckens avanciert zur Nettikette im digitalen Biedermeier. Der virtuelle Zivilisationsprozess muendet in eine Kontrollgesellschaft der sauberen Geschaeftsablaeufe, verantwortungsvollen Pflege der eigenen Avatare und kleinen Begierden auf den Heim-Seiten und Festplatten-Kleingaerten und fuehrt zur Verniedlichung des weltweiten Panoptikum der 'one modern World' der corporate nets.

Barlows Text funktioniert durch Hippy-Lyrik und in zahlosen Manifesten der neuen digitalen Spiritualitaet geuebte poetische Sprache, die die unbewussten Instinkte und das gestoerte Selbstempfinden derer anspricht, die Arthur Kroker 'the virtual class' nennt. Es ist jener Teil der Weltbevoelkerung, die sich u.a. durch Internetanschluss auszeichnet, was hier einem 'social contract' gleichkommt. Die zur Natur erklaerte Macht der Informationstechnologie, als deren Statthalter Barlow sich erklaert, wird sogleich als mythische und unantastbare verklaert, als ein durch Online-Sein induziertes grandioses Geheimwissen, dem durch irdische Kraefte nicht beizukommen ist. Von der anderen Seite der Bruecke Zarathustras schaut Prophet Barlow hinunter auf die ausgediente Werkstaettenlandschaft und erklaert sich von ihrer Wirklichkeit und Wirksamkeit unabhaengig.

Seine mythische Position beruht auf einer multiplen Identifizierung. Er ist die Vielheit aller amerikanischen Archetypen: im taeglichen Leben Cowboy und Rancher, Indianer in den Weiten der cyberlands, in Zwiesprache mit den Datenfluessen ("in conversation with the bits"), altgedienter Cyberpunk und Simstim-Cowboy Gibsonscher Praegung ("I come from cyberspace"), Experte fuer Netz-Copyright, Lobbyist in Washington, New-Age-Priester des heiligen Geistes der Digitalitaet ("there are no bodies"), Gruendervater einer jungen Nation, Bote aus dem dritten Raum, das Alien aus dem Datenkosmos, Endjahrtausend-Prophet, Publizist von Wired Magazine, Prediger des organlosen elektronischen Koerpers und pilgrim father der Trecks gen cyberwest.

Haeuptling Barlow spricht zu den Weissen: "Governments of the Industrial World, you weary giants of flesh and steel, I come from Cyberspace, the new home of Mind. On behalf of the future, I ask you of the past to leave us alone. You are not welcome among us. You have no sovereignty where we gather." Gleich einem Engel richtet er sich nicht an die Weltoeffentlichkeit sondern direkt an die alte Elite der 'second wave', die Fuehrungspitzen aus Politik und Wirtschaft und warnt diese davor, sich auf sein Stammesterritorium zu begeben. Die New-Age-Ideologie einer "civilisation of the mind" folgt dem Plan der aquarius conspiracy, wonach das Alte untergehen soll, allem voran der Staat, seine Institutionen und Verbindlichkeiten, um dem Paradigma der Spiritualisierung Platz zu machen. "Our identities have no bodies","There is no matter here.","Ours is a world that is both everywhere and nowhere, but it is not where bodies live." "Good Food". Nach Hakim Bey kann man Information nicht essen. Fuer ihn verkoerpert John's Hang zur Abtrennung einen 'information war' gegen Koerper und Materie, den es aufzuhalten gilt. "Even the New Age with its gnostic tendencies embraces the New Science and its increasing etherealization as a source of proof-texts for its spiritualist world view. Meditation and cybernetics go hand in hand." Das Koerperlose der virtuellen Raeume ist eben gerade ihre Schwaeche, und keine Prothese oder Ideolgie kann diese Luecke schliessen. Die Unabhaengigkeit des Geistes ist eine gnostische Sackgasse die in Gewalt endet.

Praesident Barlow gibt ausserdem bekannt: "In the United States, you have today created a law, the Telecommunications Reform Act, which repudiates your own Constitution and insults the dreams of Jefferson, Washington, Mill, Madison, DeToqueville, and Brandeis. These dreams must now be born anew in us." In einem magischen Akt der Uebertragung kopiert er als Wiedergaenger Jeffersons den mythologischen Gehalt der grossen amerikanischen Geburtsurkunde, mitsamt ihrer kurzen heroischen Geschichte, in den an mythologischen Erzaehlungen noch armen Datenraum. Der ideologische Virus, den er damit ins Netz schleust, macht es moeglich auf den Traeumen von den unendlichen Grenzen der Datenlandschaften ein territoriales Identifikationsmodell zu errichten. Das durch den Untergang des Reichs des Boesen ins Wanken geratene duale Weltbild wird um die Grenze real/virtuell herum neu errichtet. In seinem Cyber-Wahn predigt Pater Barlow kurzerhand den Vertretern der alten politischen Klasse ('factories, flesh and steel, matter') ihre Machtlosigkeit, Rechtlosigkeit und Autoritaetslosigkeit und nimmt ihre Zensurversuche kampfeslustig als Kriegserklaerung entgegen. Die Rekrutierung der 50 Millionen und aller zukuenftigen Internetuser als virtuelle Subjekte kann beginnen. "We must declare our virtual selves immune to your sovereignty, even as we continue to consent to your rule over our bodies."

Der Dichter Barlow (lyricist of the Grateful Dead und Hugo-von-Hoffmannstal des Netzes): "You do not know us, nor do you know our world. Cyberspace does not lie within your borders. Do not think that you can build it. You cannot. It is an act of nature and it grows itself. You are terrified of your own children, since they are natives in a world where you will always be immigrants. The only law that all our constituent cultures would generally recognize is the Golden Rule. We will spread ourselves across the Planet so that no one can arrest our thoughts." Seine Schriften verkoerpern die Auferstehung eines Nationalbewusstsein, das sich von den Grenzen ihrer Vaeter und Unterdruecker unabhaengig zu machen sucht. Eine grosse historische Zeit eines neuen jungen Zeitalters bricht an. Er besingt den hinter dem Horizont emportauchenden virtuellen Kontinent, der keine kritischen Intelektuellen braucht sondern weitsichtige Visionaere. Als altestamentarischer Urvater haemmert er am Grundgesetz fuer ein gelobtes Land und ein kommendes Volk, das er nicht mehr erleben wird. Die Kunde von der Erfahrung einer komplett anderen und in sich abgeschlossenen Welt erinnert an die Acid-Romantik vergangener Hippietage und verbindet sich mit Tofflerscher Info-Ideologie der 'new marketplaces'. Die attraktive Seite der Sirenengesaenge Barlows spricht die unbewussten Instinkte der 08/15-User an, die nach einem neuen Selbstwertgefuehl suchen. Die verschwoerungstheoretischen Aspekte sind etwas fuer diejenigen, die daran interessiert sind, die boesartigen Interessen hinter der neoliberalen 'Stimme des virtuellen Amerikas' im Komplex Poet-Medien-Macht zu analysieren und damit ein Fall fuer die Pariser Textlabors oder die Abteilung Theweleit.

Netz-Stimmen: "Barlow is a spokesman for the "Brainlords" - the neologism created by Gingrich's PFF think-tanker Vlahos to describe the 5% of the population who will be in charge in the terrifying new feudalism of his "ByteCity". Like Toffler and Vlahos standing behind him, Barlow is a committed enemy of liberty. He does not and cannot speak for the Net" (Mark Stahlmann) Die in ideologischer Hinsicht neue hegemoniale Fraktion setzen auf den von einer globalen Elite vorbereiteten grossen Paradigmenwechsel. In der Tat ist Barlow ausserdem Mitglied der Global Business Network, einer conspirativen Unternehmensberatungsclique, die den sinnentleerten Info-Kapitalismus mit Marktphilosophie fuettern. Die virtuelle Klasse ist nicht nur ein hegemonialer Block und eine soziologische Kategorie sondern auch eine Verflechtung von Kontakten zwischen Verlegern, Industriellen, Visionaeren, Publizisten, Softwareentwicklern und Kuenstlern. In einem neodarwinistischen Kurzschluss wird die neue Kommunikationsindustrie mit einer naturgegebenen Notwendigkeit gleichgesetzt, die faktische Auslese der Info-Elite sagt nichts vom Ausschluss derer, die nicht die Mittel und Moeglichkeit haben an der egalitaeren Idee des universal access teilzuhaben. ('um das Jahr 00 werden alle Arbeiter und Bauern in China ihren AT+T-ATM Anschluss haben')

Noch ist in den aufgeregten Kreisen der Cyberkultur nichts bekannt ueber die Bedingungen, unter denen die Hardware und Software hergestellt wird. Man liesst nichts in Wired von Massenentlassungen und Tarifverhandlungen, Mindestloehnen und Arbeitsbedingungen, gesundheitlichen und sozialen Folgen, vor allem nicht aus den Billiglohnlaendern, in welche die weniger profitable Massenproduktion 'ausgelagert' wird. Dies alles gibt es nicht fuer den virtuellen Selbstaendigen, wohl aber den Zwang zur permanenten Fortbildung. "Crucially, the lifting of restrictions on market competition hasn't advanced the cause of freedom of expression at all. On the contrary, the privatisation of cyberspace seems to be taking place alongside the introduction of heavy censorship. Unable to explain this phenomenon within the confines of the 'Californian Ideology', Barlow has decided to escape into neo-liberal hyper-reality rather than face the contradictions of really existing capitalism."(Richard Barbrook)

 

 

 

6. Slogans zur kommerziellen Verwertung

what did we do before internet? - reinventing the digital (Konferenztitel) - everybody can be a content-provider for 15 minutes - kauft deutsche Software - retrieving the real - im Problemkreis des Angenehmen - Bastard Technologies (Firma) - Webmasters of the Universe - understanding techne - Chaos Kompetenz im Finanzbereich - free Cyber-sex! - total access - data liberation front - stop making content - fuer eine zweite Unmoderne - Techno als Methode - VG Ort - das Verschwinden der Autopoiesis - das Ende des elektronischen Dispositivs - Kritik und Pornographie - bitte nichts aufgreifen! - my struggle against neccessary illusions - escape from cyberspace - Consensual Hallucinations - becoming digital, how to make money with Deleuze - how to quit netsurfing in one week - race, class, gender and ms-dos - studien zur elektronischen nervositaet - chancen und risiken digitalen kultur - zukunftberuf: clickmaster - stealth postings, bullshit enginges and technoparasites - Diskurs direkt - Phantom Radio Alice - ein Habermas-Video - one million hits bei www.radikal.com - ascii against the rich - multamedia - Marcuse wiederlesen mit Rheingold - Neu: C++ mit Luhmann - illegale Adorno-CD-Roms in China entdeckt - le Sartre Knowbot - AG Information, Gesellschaft und Medien - das glaeserne Internet - der Computer am Ende des 21. Jahrhunderts - sozial vertraegliche Mausmatten - point your desire at sex.com.

 

 

 

7. Kritik der reinen Virtualitaet

'the desire to be tired'. Die blinde Begierde der kybernetischen Maenner-Phantasie alles zu vernetzen, rueckzukoppeln, zu steuern und zu regeln mag als Motor der Internet-Gesellschaft gelten. 'Hauptsache es funktioniert nicht richtig, dann bleibt immer etwas zu tun' Dieses 'elektronische Herummachen' verbindet sich derzeit mit dem Glauben an den Weltgeist des Kapitals zur neuen Form des 'nomadic capitalism' (CAE). Zirkulieren, expandieren, dezentralisieren, enthierarchisieren, temporalisieren, fliessen, recodieren, einschliessen, entfremden, profitieren, delirieren. Es ist nicht das Problem, dass es keine Wunschoekonomie der Netze gibt, sondern dass die Umsetzung ins Reale allzu komplett stattgefunden hat.

Nicht nur die Grammatologie, das Kapital, die Ordung des Diskurses, das postmoderne Wissen, soziale Systeme, der Wille zur Macht, das Unbehangen im Geschlecht werden von nun an auf 'das Netz' hin neu 'durchbuchstabiert', sondern das Ergebnis steht leider schon jetzt fest: es ist gespenstisch, denn alles ist zutreffend. Eine bestimmte Auswahl an Literatur erweist sich derartig im Recht, das es sich nicht mehr lohnt, darueber zu reden. Die Berechenbarkeit des Debakels verhindert nicht, dass im Exzess der Repraesentation bald alles mit allem verknuepft einer grossen Erleichterung weicht, das Netz als Raum des Vergessens.

1000 Fehler: Es ist keine Kunst, ueberall im Netz Rhizome, Deterritorialisierungen, koerperlose Transformationen, organlose Koerper, Konstistenzebenen, Fluchtlinien, Falten, abstrakte Maschinen, Resonanzen und rosarote Panther zu finden, es ist viel eher die Frage, wie sich an bestimmten Projekten weiterarbeiten laesst, ohne dass man diese zu einer Liste von 'passwords' zusammenkocht, und damit in ihren Anschlussmoeglichkeiten abtoetet. Es geht bestenfalls um Programme, die im Sinne ihrer Programmierer oder gegen sie weiter verwendet werden koennen. 'Das schlimmste was, Foucault passieren konnte war der Foucault-Diskurs' 'Mille Plateaux zitiert man nicht, Mille Plateux macht man'. 'Wer ein Buch liebt, erwaehnt es moeglichst selten'

Begierde, Energie, Wunsch in Arbeit und Leistung umgesetzt und einer metaphysischen Reinigung unterzogen, werden heutzutage gerne als elektronische Virtualitaet verkauft. Krokers 'Wille zur Virtualitaet' verbirgt nur schlecht jenen Drang zur Herrschaft, den Nietzsche sagen lies: 'die Niedrigen suchen nach ihrer Unterwerfung'. Waehrend Alan Turing bloss nach der Universellen Maschine zur Berechnung von allem Moeglichen suchte, wartet man heute auf einem Neu-Goedelianer, der jene kalifornische Ideologie eines abschliessbaren Cyberspace wiederlegt.

Ob es allein die chronischen Bedrohungsphantasien der vorwiegend amerikanischen Mittelklasse sind, die einen kollektiven Fluchtraum noetig machen, ist zu bezweifeln. Die Geschichten von Entdeckungen eines schizo-space, in dem es die kleinen schmutzigen Begehren einzuschliessen gilt, damit sie nicht ausarten und Faschisten werden oder auch nur den miesen Alltag durcheinanderbringen, sind zahlreich.

Wie beim Ideal des reinen Rationalismus geht es um das Austreiben alles Sinnlichen und dessen Wiederkehr als 'sexy buttons'. Das Netz kann wie das Digitale selbst als ein Ausdruck des Willens zur Sauberkeit gelesen werden, dem alle Schmutzigkeit ausgetrieben werden muss, damit er sich frei entfalten kann. Es geht nicht darum, die Sauberkeit wirklich herzustellen, aber ihre Notwendigkeit ist zum Gesetz zu erheben. Sauberkeit ist hier moralfrei genannt, es geht viel eher um den Ausschluss von Unlust, wie Ekel, Angst, Terror bei einer gleichzeitigen Ueberkodierung des Lustvollen, bis zu seiner voelligne Entleerung. Sauberkeit ist eine Aesthetik, die sich durchaus den gezielten Effekten des Schmutzes bedienen kann. Ihr Impuls ist die Kontrolle, das Ueberwachen, das Steuern im richtigen Moment, und die komplette Umkodierung auf kleinster und umfassenster Ebene. Weitere Verheissungen des Virtuellen sind ewiges Leben, voellige Berechenbarkeit und maximale Unabhaengikeit. All dies wird als Machtzuwachs empfunden - und je mehr sich anschliessen, desto wirklicher wird diese Welt.

Warum virtuell? Dieses alte abgenutzte Wort hat etwas mit Moeglichkeit und Staerke zu tun. Man haelt die Erfahrung der eigenen Kraefte nicht aus und uebertraegt sie gerne einer anderen Instanz. McLuhan folgend kann man behaupten: Das Netz schuetzt uns vor uns selbst, indem es unser Selbst amputiert. Was einmal 'Entfremdung' genannt wurde, nennt Barlow heute freudig 'virtual self'. Eine Schizo-Analyse der Netze setzt am Begehren an, das sich einer asketischen 'Virtualisierung' unterzieht, den organlosen elektronischen Koerper besetzt und hier kollektive Auesserungsgefuege errichtet, die sich in nichts von einem psychotischen Raum unterscheiden. Abkehr vom Koerper, Materiellem, von aller Kommunikation mit dem Aussen.

Warum wird man virtuell?
Eine Kollektivierung der Schemata schizoid-narzistisch-paranoid durch die Netze wurde nicht verhindert, sonder geradezu ermoeglicht; schliesse sie ans Netz und sie geben Ruhe, beschaeftigen sich mit sich selbst, loesen sich auf. Den aus soziotechnischer Perspektive deutlichen Genesungseffekt, der das Netz als Einschliessungsanstalt fuer ueberschuessige Wunschstroeme einer 'Gesellschaft im Aufbruch' praegt, macht eine Herkunft aus den Labors der Psychohygiene weitaus plausibler als die Geschichte vom zu ueberlebenden Atombombenschlag. Die Geburt des Netzes aus dem Geiste von 69/70 macht auch heute noch das Netz zum perfekten Zuechtungsort fuer ungebrochene Utopien.

Was ist virtuelle Schmutzigkeit? -- technisch gesehen: Elektromagnetische Stoerstrahlung, Chips, die falsch rechnen, Programme, die abstuerzen, Prototypen, die nie gelaufen sind, Monaden, die sich nicht schliessen lassen, Seiteneffekte aller Art -- menschlich gesehen: Affekte aller Art, Gebrechen, Leiden, unkontrollierbare Gewaltausbrueche, Ehebrueche, Ermuedung, das Organische -- generell gesehen:. Der Auschluss der Entropie, niedriger Ordnungen von Leben, der Zerfall.

Was soll man ueber die reine Virtualitaet berichten? Man kann nur an ihren Grenzen entlangschreiten und ein wenig ueber die Mauer blicken. Viel vom Brimborium um die Repraesentation des Anderen, Fernen, Erhabenen bleibt der Darstellung eines Machtwissen verhaftet, das sich von jeher auf die Verwaltung des Transzendenten und Metaphysischen konzentrierte. Die Attraktivitaet besteht darin, die Ueberraeume auszumalen, als heroische Geste einsam die Bruecke zu ueberschreiten und die Zurueckgebliebenen mit religioesen Erfahrungsberichten zu faszinieren. Es wird eine Weile dauern, bis die Saekularisierung des Cyberspace die Allgemeinheit erreicht hat. Bis dahin wird es eine neue Runde von Religionskritik geben muessen.

Internet wird in Europa als Mode gehandelt, aber es waere zu einfach, es mit anderen Importen wie Hamburgern, Mountain Bikes oder Steven Spielberg-Filmen gleichzusetzen. Viel eher waere es netz- oder mediengeschichtlich einzuordnen, so wie Wechselstrom oder Telefax. Da man selbst nicht so recht weiss, gibt man sich gelassen. 'Ich war nicht online, der andere ist es gewesen.'

Das Interessante aber ist, dass die grossen Erwartungen, die dem Uebermenschen als Aufgaben in die Schuhe geschoben werden, von den Durchschnittsmenschen stets auf halben Wege unterwandert werden. Man arbeitet unkonzentriert, fehlerhaft und schlampig, um den grossen Plan am Gelingen zu hindern, weil man insgeheim befuerchtet, nicht Teil davon zu sein. Die grosse Ueberwindung der naechsten Stufe der Evolution wird es geben, aber sie wird niemanden dauerhaft interessieren. Die Buendelung aller Interessen und Aktivitaeten hin auf den grossen Paradimenwechsel wird nicht das Quantum an Spannung uebertreffen, das wir bei der Mondlandung oder beim Golfkrieg miterleben durften. Stattdessen produziert eine neue Art Terrorismus reine Ereignisse, um auf dem Ekel vor dem Ausgeschlossenen weiteren Ausdruck zu verleihen. Fast sieht es aus wie ein oekologisches Gleichwichtsverhaeltnis: Waechst auf der einen Seite die Reinheit, waechst auf der anderen der Schmutz.

Cyberwar ist der Ausdruck der Ideologie der reinen Virtualitaet, Command, Control und Communication, non lethal weapons koennen nicht darueber hinwegtaeuschen, dass es sich letztlich um schmutzige Gewalt handelt. Innerhalb der virtuellen Kriegsmaschine kommt es nicht zum Blutvergiessen, stattdessen wird der dreckige Krieg ausgelagert. Vor der Toren von Byte-City geschieht, worueber die Medien nicht berichten. Die Ahnung von den unbeschreiblichen Zustaenden 'draussen' treibt das Beduerfnis nach Sicherheit und Reduktion von Informations-Schmutz nur umso mehr in profitable Hoehen.

Die Umwertung aller Werte findet im Nanosekundentakt statt, gleichzeitig haben wir es mit einer Multiplizierung der Werte zu tun. Die Globalisierung der Maerkte fuehrt zu einem groben Nebeneinander und setzt das Prinzip der Konkurrenz vor ganz neue Chancen und Gefahren.

Was in Gefahr geraet, sind die ordnungstiftenden Hirarchisierungen. Prioritaet hat, was hier und jetzt am Wichtigsten erscheint, abhaengig von seinen Relationen zu umgebenden Faktoren. Das Netzdenken wird zum Herrschaftswissen, und nur die generalisierten Werte+Medien (wie Geld+Netz) werden zu quasi-religoesen Unhinterfragbarkeiten stilisiert. Die darwinistische Info-Oekologie der Synergie-Profits von spezialisiertem Knowledge und des Turbulenzmanagements unterlegener Produktionsbereiche erhebt Herrschaftanspruch ueber die fordistischen, industriellen, pyramidalen und sequentiellen Modelle, die nun von den 'Billiglohnlaendern' u.ae. vertreten werden.

Die Unsterblichkeit digitaler Information verbunden mit dem Erloesungsverheissungen des weltweiten Datenparadieses wird zum Anlass genommen, sich noch einmal ueber das Fleisch zu erheben und von der Allgemeingueltigkeit des (nun binaeren) Textes zu traeumen. Fuer einen kurzen Moment ist es moeglich, illegalen Zugriff aufs traditionelle Archiv zu erhalten, weil die intergalaktische Konflikte zwischen den Anhaengern von Touring und Gutenberg Luecken offenlassen, zwischen denen ein Stueck Nacktheit des alten Machtwissens hervorlugt, ueber das sich die Netzkritik nun in unschuldiger Freude belustigt.

Aber kein bunter, interdisziplinaerer Ansatz kann verhindern, dass ploetzlich gaehnende Langeweile eintreten kann, weil alles stimmt und man sich der naechsten Wunschmaschine zuwendet. 'Den Wunsch produzieren, nicht funktionieren'.

Die Lockrufe klingen plausibel: 'a lot of access... and many to many'. 'Weder Leben noch Kultur koennen mithalten' 'Weltweite Distribution zum Nulltarif'. Was 'ist' aber der Glanz einer Website, das Geheimniseiner CD-ROM, die Aura eines JPEGs? Jenem immensen Fehlen, das durch die imaginaeren Strahlungsphaenomene der frommen digitalen Begierden leuchtet wird, steht eine quasi politische Gefaehrdung gegenueber, Kittler wuerde das durch die Quantisierung selbst zu erklaeren versuchen und mathematisch eine Berechenbarkeitsgrenze nachweisen, der ernstzunehmende Konflikt koenne schliesslich nur militaerisch geloest werden, wodurch aus der Grenze analog/digital die naechste Weltkriegsfront werde. Das Netz als Kulturgrenze birgt mehr als nur kulturellen Konfliktstoff, seine Integrationskraft ist jedoch nur so kolonialistisch und imperialistisch, wie es sich zentralen Prinzipien unterwirft. Solange im Netz selbst sich die Kaempfe erst so richtig entfalten und symbolisieren, koennte es sich wirklich zu einer Repraesentationsflaeche fuer Konflikte entwickeln, die auf andere Weise gewaltsam geloest werden muessten.

So werden die menschlichen Raetsel der Interaktivitaet von einer wachsenden Anzahl an Sozialwissenschaftlern im Netz geknackt. Liebevoll wird die Klick-Freude der Netz-Primitiven studiert, und es werden aufwendige Fallen aufgebaut (wie das MediaMoo), in denen man ihre Sprache und ihr Sozialverhalten erforscht.

txt.zip: Nach dem grossen Schnitt des zweiten Weltkriegs kommt es zum takeoff der Information, welche das Konzept der Energie in den Bereich des Virtuellen uebersetzt. Das ganz Virtuelle ist das voellig Unwahre. Johan Sjerpstra: 'Cybercriticism makes us formally aware of the bewildering character of cyberspace'. Man sollte es den Franzosen ueberlassen das Internet mit Kant zu lesen.

Bekenntnisse eines Netsurfers: Fuer alle, die ueberzogene Erwartungen in die Netze gesteckt haben, die sich in ungeahnte Hoehen geschleudert und mit unbegrenzten Maechten versehen sahen, haelt der Infohypeway ganz eigene Unfallrisiken und individuelle Entaeuschungen bereit. Den Net-Lag kennen alle, die zurueck aus der Zukunft es ploetzlich mit einem Medium unter vielen anderen zu tun haben. 'Wer dem Netz vertraut, hat auf Sand gebaut.'

 
 
 

 

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